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Klinische Mastitis: Anbindeställe mit großen Problemen

Eine kanadische Studie hat rund 100 Betriebe mit Laufställen und Anbindehaltungen unter die Lupe genommen (Olde Riekerink et al., 2008. Incidence rate of clinical mastitis on Canadian dairy farms. Jounal of Dairy Science, 91:1366-1377). Dabei zeigten sich große Unterschiede beim Erregerspektrum und im Risiko, an Masititis zu erkranken. Fast jeder Betrieb klagt über Euterentzündungen. In Kanada erkrankt jedes fünfte Tier an Mastitis. Damit liegt die Zahl noch deutlich niedriger als beispielsweise in England, wo jährlich mehr als jedes dritte Tier erkrankt (37 Prozent).

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Aber die Bandbreite ist gigantisch: Es gibt Betriebe, die kaum mehr als zwei Prozent klinische Mastitiden im Bestand beklagen. Auf der anderen Seite stehen Extremfälle mit 98 Prozent aller Kühe, die klinisch auffällig euterkrank werden.

Wie kann das sein? Ganz klar, es liegt am Management im weitesten Sinne. Denn alle Kühe sind vom Menschen abhängig: Fütterung, Hygiene, Krankheitsfrüherkennung, Prävention und Stoffwechselbelastungen. Untersuchungen aus den USA bestätigen dies zusätzlich.

Die allermeisten klinischen Mastitiden ereignen sich in den ersten Wochen der Laktation und meist in den ersten Tagen. Kühe laufen viermal häufiger Gefahr, in dieser Phase eine Euterentzündung zu bekommen als zu späteren Zeitpunkten, Färsen sogar zwölfmal mehr!

Besonders kritisch sehen die Verfasser der Studie die ersten fünf Tage nach dem Abkalben. Hier gelte es, alle Anstrengungen zu unternehmen. Das heißt zum einen, die Früherkennung zu optimieren, zum anderen aber alle Stressmomente wie Schwergeburt oder Begleiterkrankungen so gering wie möglich zu halten. Die Vorderviertel von Kühen sind um mehr als 40 Prozent häufiger gefährdet als die Hinterviertel. Bei reinen Umweltkeiminfektionen ist dies oft umgekehrt, sich Infektionen mit grampositiven Erregern (Strepto bzw. Staphylokokken) in diesem Zeitraum einzuhandeln!

Unterschiede im Haltungssystem

Neben der Bestandsbelastung durch Mastitiden sagen die kanadischen Wissenschaftler auch etwas zur Infektionsanfälligkeit in unterschiedlichen Haltungsformen. Sie nahmen 50 Anbindeställe und 44 Laufstallbetriebe näher unter die Lupe und führten umfangreiche bakteriologische Untersuchungen durch. Hier die wichtigsten Aussagen:

Im Anbindestall ist das Risiko für eine Eutererkrankung um etwa 20 Prozent höher.

Während im Laufstall nur jede fünfte Kuh klinisch erkrankt, ist es im Anbindestall jede Vierte. Das verdeutlicht, wie bedeutend der Melkvorgang und die Melktechnik für das Geschehen sind. Der Mensch scheint eine größere Rolle bei der Keimübertragung zu spielen als im Laufstall. Eventuell sind in Melkständen bessere Möglichkeiten zur Zwischendesinfektion und zum Dippen gegeben. Vielleicht ist auch die Bereitschaft, Handschuhe zu tragen, größer.

Die Keimmuster sind unterschiedlich

Staph. aureus ist und bleibt der dominierende ansteckende Keim in der Anbindehaltung. Mit vier Prozent aller Kühe erkrankten dort fast dreimal so viele Kühe wie im Laufstall (1,62 %). Der Keim findet sich bei jeder zehnten Kuh (kranke und unauffällige Kühe).

Auch der Anteil an CNS (Koagulose-negativen Staphlyokokken) ist in der Anbindung mehr als doppelt so hoch wie im Laufstall. Das unterstreicht, wie infektiös dieser weltweit immer häufiger zu findende Erreger ist. Außerdem macht es die verwandtschaftliche Beziehung zu Staph. aureus deutlich.

In Deutschland zeigen Studien eine starke Zunahme der CNS. Der Keim breitet sich vor allen Dingen in wachsenden Laufstallbetrieben aus und tritt bereits bei Färsen auf. Somit stehen die neuen Erkenntnisse etwas im Widerspruch zu den heimischen Beobachtungen.

Streptococcus uberis zeigt deutlich seinen infektiösen Charakter, obwohl er weltweit eher zu den Umweltkeimen gezählt wird. In Milchproben aus Anbindehaltungen findet er sich dreimal häufiger als in Laufstallbetrieben.

Bei den Umweltkeime bestätigen die kanadischen Untersuchungen die langjährigen Erkenntnisse.

Die Übertragung von Umweltkeimen hängt entscheidend von der Hygiene im Stall ab. Ein gutes Boxenmanagement hilft.

Im Laufstall dominieren E. coli und Klebsiellen eindeutig das Geschehen. Durch den freien Tierverkehr und das Wechseln von Liegeflächen unterschiedlicher hygienischer Qualität können diese an sich nicht sonderlich stark infektiösen Keime dennoch immensen Schaden anrichten. Kühe im Laufstall erkranken fast doppelt so häufig.

Mastitiserreger AnbindestallLaufstall
Staphylococcus aureus 4,041,62
Streptococcus uberis 2,19 0,67
Escherichia coli 1,36 2,08
koagulase-negativer Staphylokokken (CNS) 1,58 0,68
Streptococcus dysgalactiae 0,89 0,87
Klebsiella spp. 0,40 1,00
Streptococcus spp. 1,21 0,37
Keine Erreger 5,45 5,73
Gesamt 26,6 19,1

Olde Riekerink et al. (2008). Incidence rate of clinical mastitis on Canadian dairy farms. Jounal of Dairy Science, 91: 1366-1377

Dieser Artikel erschien im Original unter: Dr. Peter Zieger. Anbindeställe mit großen Problemen. dlz agrarmagazin 07/2008